Dieses Spiel wird als das schrecklichste Auswärtserlebnis in unsere persönliche Fan-Geschichtsschreibung eingehen – und leider auch wieder als eines, über das erschreckend einseitig und falsch berichtet wurde. Am Anfang. Dann wurde es langsam besser. Sehr langsam.. Aber der Reihe nach…
Hier kommt die PK. Und darunter unser Bericht schwarz auf weiß und natürlich reich bebildert.
EIN BUS VOLLER NARREN
Mit jeder Menge Kölsch und Fassbrause im Gepäck schmeißen wir uns in den Kleinbus und machen uns auf nach Südfrankreich. Eine Ochsentour. Aber wie erwartet sind wir nicht die einzigen, die so bekloppt sind. Auf den Rastplätzen treffen wir zuverlässig andere Kölsche Reisegruppen. Alle bester Laune.
Ausblick und erste Begegnung: wunderbar
Gegen 9:00 Uhr am Morgen treffen wir in Nizza ein. Wir lernen auch gleich den Bewohner des kleinen Häuschens kennen, neben dem wir unsere ersten Stadionfotos schießen: Ein ganz entzückender, sehr freundlicher Franzose mit ungezählten Zahnlücken. Ein Unikum, das sofort unser Herz gewinnt. So kann’s gerne weitergehen.
WILLKOMMEN IN NIZZA
Im Hotel sind unsere Zimmer, obwohl wir ja etwas früh eintreffen, bereits bezugsfertig. Wir werden ausnehmend charmant empfangen. Am meisten lockt uns nach der strapaziösen Fahrt natürlich der Pool.
Auf geht’s!
Genug gebadet. Endlich machen wir uns auf den Weg. Wir freuen uns wie Bolle auf das Treffen mit all den FC-Fans und natürlich auf das Gemeinschaftsgefühl, mit „Alle Mann“ am Brunnen.
Der Musik hinterher
Dass wir den Bahnfahrplan missverstanden haben, bringt uns ins Hintertreffen. Der Bus – die einzige Alternative – fährt in großzügigen Schleifen von Milchkanne zu Milchkanne und bringt uns entnervend langsam ans Ziel. Und das ist dann eine Bahnhaltestation und nicht etwa die Innenstadt. Es dauert und dauert und dauert, bis wir endlich in Küstennähe sind.
Roter Streifen am Horizont
Wir fragen uns, ob wir eine Chance haben, den Fanmarsch noch einzuholen und geben Gas. Allerdings ist die Promenade länger als man meinem mag und der rote Streifen, den wir ganz hinten erspähen, will und will nicht näher kommen. Nach ca. 4 Kilometern und ein paar Telefonaten dämmert uns, dass das Vorhaben Blödsinn ist. Außerdem haben wir langsam richtig Hunger. Also weg von der Promenade und rein in die nächste Frittenbude.
Gott und die Welt
Wie schon in Ungarn treffen wir auch hier tausend bekannte Gesichter vor dem Stadion. Noch ist die Stimmung ausgelassen und die Vorfreude groß. Dass es hier kaum Polizei gibt deuten wir zunächst als ein Zeichen für Friede, Freude und Eierkuchen.
Was wir (noch) nicht wissen
Anderen Fans ergeht es nicht so gut wie uns. Wie wir später erfahren sind bereits in den letzten Tagen zahlreiche FC-Fans von Nizza-Hools überfallen und ausgeraubt worden. Oft wurden auch die FC-Trikots geklaut – was jetzt dazu führt, dass sich als FC-Fans verkleidete Franzosen unter die Fans mischen und den Überraschungsmoment für gewalttätige Angriffe nutzen. Immer wieder hören wir von Messerattacken.*
* Ergänzung nach Erscheinen des Beitrags: Von Nizza-Hools in FC-Trikots, die FC-Fans attackiert haben sollen, wurde uns vor Ort zwei Mal unabhängig voneinander berichtet. Danach haben wir diese Geschichte aber nicht mehr gehört oder gelesen, so dass durchaus Zweifel angemeldet werden können. Falls jemand für Aufklärung sorgen kann, freuen wir uns über Infos in den Kommentaren oder gerne auch per Mail.
Auf dem Weg zum Stadion werden reihenweise FC-Fans angegriffen und zum Teil krankenhausreif geschlagen. Die Nizza-Hools machen keine Unterschiede zwischen „Ultras“ und „Normalos“. Selbst Familien werden attackiert.
Bomben-Empfang
Kurz vor der Einlasskontrolle – oder dem, was so aussah wie eine Einlasskontrolle – knallte es dann plötzlich. Nizza-Hools versuchten, durch die notdürftig von zwei Transportern und einer Handvoll Polizisten gesicherte Gasse durchzustoßen. Warum ihnen das nicht gelang, bleibt ein Rätsel. Die Polizisten jedenfalls wirkten komplett überfordert und fackelten bei dem Versuch, ein Bengalo zu entfernen, um ein Haar den eigenen Einsatzwagen ab. Wir hielten das Ganze zunächst für die Aktion einiger Irrer und nahmen sie nicht übermäßig ernst.
Einlasskontrolle? Fehlanzeige!
Ticketkontrolle? Wieder Fehlanzeige!
Ausnahmezustand
*Ergänzung nach Erscheinen des Beitrags: Wir wurden darauf hingewiesen, dass die Ultras aus Paris seit Jahren bei allen FC-Spielen dabei seien und eine enge Freundschaft bestehe. Es ist demnach nicht so, dass sich Pariser als FC-Fans „verkleidet“ haben und nur da waren, um Ärger zu machen. Es sind wohl auch aus diesem Kreis Leute im Vorfeld von Nizza Hools angegriffen worden und ein Pariser soll bei einer Messerattacke eine stark blutende Schnittverletzung davongetragen haben. Das erklärt vielleicht noch etwas besser, warum denen total die Sicherungen durchgebrannt sind. Aber natürlich entschuldigt es nichts. Für uns interessant ist aber festzuhalten, dass man die Pariser korrekterweise wohl den FC-Fans zurechnen muss.
Nächste Nizza-Attacke
Nichts wie weg!
Wenn Sie sich prügeln wollen hier lang, wenn nicht, dann dort lang.
Französischer Polizist
auf die Frage eines FC-Fans, wohin er denn jetzt gehen könne
Das Spiel wird angepfiffen
Nizza 1 : 1 Kölle
Dämliche Einkesselung
Rund 1,5 Stunden hielt uns Nizza nach dem Abpfiff im Stadion. Dann durften wir raus – dachten wir. Untern gab es einen umzäunten oder durch Polizei abgesperrten Bereich. Alle wurden nach und nach in die Straßenbahnen Stadteinwärts verfrachtet. Völlig absurd, denn viele waren mit dem Auto dort oder hatten wie wir ein Hotel in die andere Richtung gebucht. Der FC-Fan neben uns hatte sein Motorrad 10 Meter von der Polizeiabsperrung entfernt in Sichtweite stehen. Aber der Polizist meinte nur lapidar, dass es unmöglich sei, ihn durchzulassen.
Friedlicher Dammbruch
Irgendwann wurde es den FC-Fans, die nicht in Richtung Stadtmitte mussten, zu dumm. Wie auf Absprache gingen viele gleichzeitig los und ignorierten alle Anweisungen der Polizei. Irgendwie Schwarmintelligenz. Auf diese Weise konnten die, die Hotels in der Nähe des Stadions gebucht hatten, doch noch auf direktem Weg in ihre Herbergen.
Null Orga auch nach dem Spiel
Wir bestellten uns eine Taxe bzw. ein Uber-Fahrzeug. Allerdings ohne Erfolg. Offenbar hat niemand ernsthaft darüber nachgedacht, wie die Fans wieder nachhause kommen. Besonders die, die nicht in der Stadtmitte untergekommen sind.
Wir liefen in Richtung Hauptverkehrsstraße, um möglicherweise trampen zu können, oder ein vorbeifahrendes Taxi zu erwischen. Wir waren mit der Idee nicht ganz alleine, aber es dauerte nicht sooooo lange, bis wir sie nicht mehr gut fanden. Ständig fuhren hupende Autos oder wild schimpfende Typen auf Mopeds an uns vorbei. Und hier am Rande der Landstraße waren wir ein allzu leichtes Ziel. Wir entschieden, umzukehren, um in einem der Hotels in Stadionnähe nach einem Taxi zu bitten.
Achtung, hinter euch!
Vom Balkon eines Hotels ruft einer: „Achtung! Hinter Euch!!“ Tatsächlich: da kommen drei Typen in Nizza-Trikots zielstrebig auf uns zu. Sie reden auf uns ein, schubsen, treten uns in die Hacken, provozieren auf jede erdenkliche Weise.
Klar, wir sind einer mehr und die sind mindestens einen halben Kopf kleiner. Aber erstens weiß keiner, ob die nicht sofort ein Messer zücken, wenn du dich falsch bewegst und zweitens: wer weiß, wen die noch alles rufen können.
Die Situation spitzt sich zu. Die Typen werden immer aggressiver. Wir sind zu viert. Stefan stellt sich mitten auf die Straße. Das erste Auto, ein Franzose, weigert sich, uns aus der Situation zu retten. Das zweite, ein VW-Bus aus dem Westerwald, schaltet sofort und nimmt Stefan und unseren Freund Carsten auf. Wir ahnen, dass kaum ein Wagen 4 Leute mitnehmen kann, entdecken rote Shirts in einem Hotelfoyer gegenüber und retten uns dorthin.
Die Westerwälder fahren Stefan in unser Hotel. Der kommt dann mit dem Bus und holt uns ab. Klingt easy. Ist aber in Wahrheit so, dass wir zackig aus dem Hotel in die sich öffnenden Seitentüren vom Bus springen. Fühlt sich scheiße und lächerlich an. Aber wenig später sitzen wir am Pool, trinken uns ein Kölsch aus der Kühlung und lassen den Tag revuepassieren.
Idiot Favre
Es muss so deutlich gesagt werden: Einer, der im Keller sitzt und sich zutraut, andere drüber zu belehren, was an der frischen Luft passiert ist, ist unserer Ansicht nach nicht weniger als ein Idiot. Wenn Favre, der sich ja wohl um seine Mannschaft gekümmert hat und kaum Zeit hatte, die Geschehnisse auf den Rängen zu beobachten, noch weniger die außerhalb des Stadions und noch weniger die Hintergründe der ganzen Geschichte, wenn dieser Favre sich anmaßt, zu beurteilen, wie sich die Fans seines Vereins benommen haben, hat er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Für uns ist der jetzt endgültig durch.
„Unsere Fans sind nicht für die Vorfälle verantwortlich. Sie haben sich einwandfrei verhalten.“
Lucien Favre
Ankomme Köln: Samstag 04:00
Nur, damit ihr eine Vorstellung davon habt, wie diese Seite und der Beitrag entstehen. Am Freitag morgen haben wir am Strand von Nizza die Sondersendung KÖLLERIFFA EINE WOCHE SANDSTRAND gedreht. Dann ging es ab in unseren Bus und wir sind (Fahrer haben sich abgewechselt) ab nach Kölle. Dort sind wir Samstag früh angekommen, haben ein paar Stunden geschlafen und uns dann an den Videoschnitt und die Erstellung des Beitrags gesetzt. Einfach aus Spaß an der Freud.
Externe Links:
Express über die mangelhafte Berichterstattung im TV:
https://www.express.de/sport/fussball/1-fc-koeln/rtl-erlebte-beim-fc-duell-in-nizza-auch-einen-albtraum-abend-2-108324#Echobox=1662715722
Detaillierte Rekonstruktion der Geschehnisse:
https://www.tagesschau.de/sport/sportschau/sportschau-story-60439.html
Lesenswerter, sehr persönlicher Bericht vom Spieltag:
https://effzeh.com/nach-nizza-das-schweigen-der-l2/
Wir sagen Dankeschön
aber nicht für 40 Jahre Die Flippers, sondern für das unfassbare Feedback auf unseren Beitrag. Das motiviert uns sehr, weiterhin unabhängig unsere Sicht der Dinge zu schildern – selbst dann, wenn es mal nicht allen passt. Schön auch das Presseecho: Die Screenshots unten verlinken direkt zu den Artikeln.
Toller Bericht.
Und in der Pommesbude haben wir uns noch gesehen 🙂
Haben Ähnliches erlebt.
Orga der Stadt Nizza waren eine Katastrophe.
Die Feindseligkeiten der Ultras/Hools von Nizza waren keineswegs in Ordnung.
Taxis die nicht fahren, liefern einengrößten Gefahren aus und dies muss eigentlich der feine Herr Bürgermeister von Nizza auch mal beantworten.
Keine Rechtfertigung für die Idioten, eh klar.
Manchmal fragt man sich, ob man überhaupt noch solche Touren machen sollte. Allein aus Gesundheitsgründe.
Ich war damals in Arsenal und Belgrad und auch da herrschte teilweise Chaos (natürlich mehr in Belgrad).
Mir vergeht bei solchen Zuständen komplett die Lust auf diese Touren.
Es wird wie immer keine nennenswerten Konsequenzen geben.
Danke für Euren Bericht
auch ich habe vorschnell geurteilt und die kölner ultrascene verurteilt. dafür entschulige ich mich. trotzdem bleiben beide gruppierungen die gewalt suchen für mich chaoten. zum glück sind nicht alle so. wenn sich pariser unter den kölner anhang gemischt haben, wie sicher ist es das dieser krawall nicht eh schon geplant war? ich finde es immer wieder traurig das diese chaoten unseren geliebten sport schädigen.
Mega
Was gegen Nizza war ist harmlos gegen früher zb.Antwerpen oder einige Buli spiele…
Also nicht jetzt so tun als das was besonderes war
Vielen Dank für euren Einsatz und den – auch wenn ihr so betroffen wart – doch neutralen Bericht!!
Wie immer nah dran und trotzdem reflektiert: Respekt!!!
Genau, wer, wenn nicht ihr sollt berichten! Alles richtig gemacht.
Chapeau. Ein wirklich ehrlicher und authentischer Bericht.
Ich war auch mit meinen beiden Söhnen und meinem Neffen vor Ort, mit dem WoMo. Wir kamen über France (Lyon)
Das einzige halbwegs ernsthafte aber auch nette Police Aufgebot, letzte Maut Station vor Nizza
Öffentliche Nahverkehr, um vom Campingplatz zum Stadion zu kommen, nahezu Null
Hin ging noch-zurück Fußmarsch über 7km mit dauerhaften Beschimpfungen von Mopeds, Autos etc.
Ich war mehr als heilfroh, als ich meinen Nachwuchs um 2 Uhr am WoMo wieder in gefühlter Sicherheit hatte
Sehr gut beschrieben, gut mal zu erfahren was aus Sicht der Kölner Fan’s vorgefallen ist. Man kann nur hoffen das die UEFA sich alles ansieht sonst sieht es für den FC schlecht aus.
Sehr schöner Bericht der eigentlich zur Polizei sollte dann würde einiges klar werden
Hallo,
Ich kann es mir kaum durch lesen…so traurig und wütend bin ich.
Und geschockt über das Ganze!!
Niemals werde ich es verstehen, das man sich prügelt, sich lebensgefährlich verletzt, Schäden davon trägt…..wegen Fußball!!
Jetzt heißt es abwarten was es für Konsequenzen nach sich trägt!
Hoffe, ihr könnt das Erlebte gut verarbeiten!!
Ganz lieben Gruß
Marion
Top genauso habe ich die drei Tage und vor allem den Spieltag da auch erlebt
Jedes Kreisligaspiel ist besser organisiert