Wir sind Feiertechnisch ganz schön unter Druck. Nach dem grandiosen Sieg gegen Dortmund folgt die Conference League Paarung gegen Partizan Belgrad – ganz sicher ein Highlight. Was uns vor dieser Paarung so durch den Kopf geht und wie wir auf Dortmund zurückblicken erzählen wir in unserer Spieltags-PK:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mehr als Jojic

Der jüngste gemeinsame Spieler ist Milos Jojic, der noch bis letzte Saison bei Partizan unter Vertrag stand – um ein Haar wären wir uns so wieder begegnet. Jojic spielte von 2015 bis 2018 für den FC und war in der Euroleague-Partie gegen Roter Stern Belgrad als Kind des größten Konkurrenten Partizan vermutlich der meistgehasste Kicker auf dem Platz.

Es gab aber schon weit früher Spieler, die es aus Belgrad an den Rhein gezogen hat. Milutin Šoškić zum Beispiel wechselte 1966 von Partizan zum 1. FC Köln und spielte bis 1973 mit dem Geißbock auf der Brust. Wer’s genau wissen will, dem ist der Wikipedia-Eintrag zu Partizan wärmstens empfohlen.

Genie oder Arroganz?

Die erste echte Überraschung des Tages ist die Aufstellung. Wie kann man diese Truppe gegen den vermutlich schwersten Gegner der Gruppe starten lassen? Auf 7 Positionen ändert Baumgart die Aufstellung im Vergleich zum Sieg gegen Dortmund und er wirft damit eine Reihe vielversprechender Youngster ins kalte Wasser – und ein paar zuverlässige Größen raus. Nicht gegen Slowacko, gegen die wir uns auch schon schwer getan haben, sondern gegen Partizan Belgrad! Wenn das klappt, wird man ihn feiern. So oder so aber hat man den Eindruck, dass das mehr Lotterie ist als Strategie. Rotieren mit der Brechstange.

Lauter neue Gesichter. Jeder für sich ein Gewinn, alle gemeinsam ein Wagnis. | Bild verlinkt auf die Quelle bei Kicker.de

Schweigeminute für Milutin Šoškić

Schöne Geste vor dem Anpfiff. Der FC gedachte jenem bereits am 27. August verstorbenen Milutin Šoškić, der in seiner Zeit beim FC Toni Schumacher verdrängte und zwei Jahre lang zwischen den Pfosten in Köln stand.

Geile Choreo!

Was die Südkurve da wieder auf die Beine stellt ist sensationell. Eine großartige Choreo und eine wundervoll friedliche Demonstration der Liebe zum FC. Dazu gehört – nebenbei erwähnt – auch der vollkommene Verzicht auf Pyro und Ähnliches während des gesamten Spiels. Während es aus dem etwas dünn besiedelten Gästeblock vereinzelt knallt und brennt, ist es bei uns ein lautstarkes Meer aus roten Klamotten, schunkelnden Händen und schwenkenden Fahnen.

Bei Pyro spalten sich bekanntlich die Geister. Aber jeder wird anerkennen müssen, dass es für alle die, die Pyro lieben, ein Opfer und eine Liebeserklärung an den Verein ist, auf sie zu verzichten. Es wäre naiv zu glauben, dass das auf ewig so weitergeht. Aber nach unserem Empfinden streckt die Kurve dem Rest der FC-Family gerade die Hand aus. Wir wären schlechte Kölsche, das nicht zu sehen und einzuschlagen.

Federleichtes Anfangsgekicke und Schock

In den ersten Minuten sieht das Spiel wie ein Trainingsspiel gegen einen unterklassigen Gegner aus. Wir sind optisch überlegen und machen (leider) auch sofort einen auf lässig.

Schön anzusehen. Vom Ergebnis her aber fatal, denn schon nach 8 Minuten fällt nach einem Standard aus heiterem Himmel das 0:1.

Zahnlose Angriffe

Wir werden jetzt etwas wacher, dominieren das Spiel noch stärker. Aber irgendwie will keiner schießen. Der Ball läuft bis in den Strafraum hinein gefällig durch die Reihen, ohne dass sich jemand mal ein Herz nimmt und es einfach versucht. Und wenn doch, dann sind wir einfach nicht gefährlich. Adamyan köpft an die Oberkante der Latte, Dietz aus fünf Metern freistehend in die Arme des Keepers. Das war es auch schon. Beinahe fällt am Ende der ersten Hälfte sogar noch ein Flippertor für Partzan. Wir sind echt bedient.

Hälfte zwei, zäher Brei

Nach der Pause geht es weiter wie es aufgehört hat. Wir sind vorne komplett Ideenlos und die Serben machen dicht und verlegen sich aufs Kontern. Wir schießen weiterhin nicht aufs Tor. Und schon wieder fällt beinahe das 0:2 – allerdings klären die Serben quasi selbst.

Frische Kräfte ab der 60sten

Endlich reagiert Baumgart. Maina kommt für Huseinbasic, Ljubicic für Kainz und Hector für Pedersen. Zehn Minuten später kommen noch Uth für Duda und Tigges für Dietz. Effekt gleich Null. Weil die Belgrader – wie selbst wir in unserer PK angekündigt hatten – eben eine europäisch erfahrene abgewichste Truppe sind. Die versuchen erst gar nicht, den Kampf gegen die neue FC-Power aufzunehmen. Die verlegen sich darauf das Spiel zu verzögern, retten sich von einer Verletzungspause in die nächste und sind ausgesprochen erfinderisch darin, jeden Spielfluss zu zerstören. Nicht schön anzusehen, aber ausgesprochen effektiv.

Wir sind richtig sauer.

Mit gefühlt zwei Schüssen aufs Tor kannst du nix gewinnen. Und wenn wir Baumgart sonst feiern, können und müssen wir ihn jetzt auch schelten. Denn diese Niederlage geht klar auf sein Konto.

Naiv 1.

Steffen Baumgarts Startelf heute war naiv. Es ist sowas von wurscht, wie du die nennst die eher selten spielen und wie oft du sagst, dass es keine Mannschaft B oder gar C gibt. Jeder kann sehen, dass nicht alle Spieler auf demselben Niveau agieren. Das ist nicht schlimm. Wir haben oft genug gesehen, wie einzelne Spieler über sich hinauswachsen. Aber selten sind es sieben gleichzeitig zum richtigen Moment. Wir kommen über das Kollektiv. Völlig richtig. Aber auch das kannst du nicht beliebig durcheinanderwürfeln. Die Aufstellung war also nicht nur arrogant, sondern vor allem naiv. Man könnte auch sagen, dass es gamblen auf Kosten des Vereins war. Ob das besser wäre?

Naiv 2.

Deine starke „Reserve“ 30 Minuten vor Abpfiff in den Ring zu werfen, mag im Ligabetrieb eine gute und bewährte Idee sein. Im internationalen Geschäft nicht. Da wirft sich der Gegner hin, hat Krämpfe, Bauchschmerzen oder sonst ein Aua und klaut so nicht nur die Minuten, sondern sorgt auch dafür, dass die Neuen nicht in den Rhythmus kommen. Partizan spielt jedes Jahr europäisch. Die sind mehrfach chemisch gereinigt und haben unsere Schlussoffensive im Keim erstickt. Gegen die sahen wir aus wie Schuljungen; der Klassenbeste, der dumm aus der Wäsche guckt als ihm der Schul-Asi die Hausaufgaben klaut. Das hätte nicht sein müssen. Sehr sehr ärgerlich.

Aufstellung als Zeichen

Diese Aufstellung war das Zeichen an Partizan, dass wir sie unterschätzen und das Zeichen an Gladbach, dass wir die Hosen vor ihnen voll haben. Eine bessere Vorlage zur Motivation kannst du den gegnerischen Trainern kaum geben. Hoffentlich geht es auf dem Rübenacker am Sonntag anders zur Sache als in diesem frustrierenden Fehltritt auf europäischer Bühne. Damit aus unserer Partyzone keine Depri-Tour wird.

Kölle 0 : 1 Partizan Belgrad

Nachtrag zu Steffen Baumgart

„Wenn ich gegen Partizan, eine Mannschaft, die seit zehn Jahren international dabei ist und eine absolute Klasse hat, verliere, obwohl ich ein gutes Spiel gemacht habe, und mir dann danach die Kommentare anhöre und höre, was wir alles nicht können, geht mir das auf die Eier“

Steffen Baumgart

Wir haben als FC-Fans jede Form der Kritikunfähigkeit bereits erlebt und auch erfahren dürfen, dass sie uns immer und immer wieder auf die falsche Bahn befördert hat. Deswegen werden wir mit Sicherheit nicht den Klatschpappen-Jasager geben, wenn uns etwas auffällt, das nicht gut läuft. Die internationale Klasse der Belgrader hat sich durchgesetzt, weil wir als FC (und allen voran der Coach) mit rookie-hafter Naivität agiert haben. Wer das nicht eingesteht, kann aus dem Spiel nichts lernen. Selbstverständlich bleibt es Steffen Baumgart unbenommen, wenn ihm Kommentare auf die Eier gehen. Aber ebenso bleibt es uns unbenommen, dass es uns auf die Eier geht, wenn wir Anzeichen von Starrsinn und Selbstherrlichkeit entdecken. Wehret den Anfängen.

Das ändert übrigens gar nichts an unserer Hochachtung an der bisherigen grandiosen Leistung und unserer Sympathie für den Menschen Steffen Baumgart. Es kann eben nur nicht sein, dass hier Maulkörbe verteilt werden.

Externe Links:

https://www.transfermarkt.de/fk-partizan-belgrad/startseite/verein/669
https://de.wikipedia.org/wiki/FK_Partizan_Belgrad